Die Arbeit der Wanderschäfer steht in krassem Kontrast zu unserer schnelllebigen, digitalen Welt. Dieser Kontrast wird spürbar in der neuen Fotodokumentation „Nomaden unserer Zeit. Wanderschäfereien in Schleswig-Holstein“. Jetzt zu sehen in der Nospa.
Über zwei Jahre lang hat der Fotograf Holger Rüdel aus Selk an der Schlei die letzten Wanderschäfereien in Schleswig-Holstein begleitet. Wie wohl kein Chronist zuvor hat er dabei die harte Arbeit der Schäfer mit der Kamera eingefangen und dokumentiert. 75 Werke sind nun ersmalig in der Nospa in Schleswig zu sehen.
Alle Fotos © Holger Rüdel holger-ruedel.de
Sie weiden überall in Schleswig-Holstein, die freundlichen Fellknäule, die ihre Locken erst bei Sturm verlieren, wie man so schön sagt. So niedlich die Optik, so wichtig ihre Rolle im Ökosystem. Denn Landschaften, insbesondere die baumarmen Moore oder Heiden, ob auf der Insel Sylt oder dem festländischen Geestrücken, wären ohne Schafe und damit eine professionelle Wanderschäferei nicht mehr haltbar. In dem die Ausstellung begleitenden Bildband, jetzt erschienen im Wachholtz Verlag, erzählt Holger Rüdel mit seinen eindringlichen Fotografien und den erklärenden Texten von den täglichen Herausforderungen im Leben dieser Nomaden unserer Zeit.
"Unser Alltag ist ganz abhängig von der Jahreszeit. Im Sommer sind wir jeden Tag mit den Schafen und Hütehunden auf den Naturschutzflächen am Hüten und betreiben damit Landschaftspflege. Im Herbst/Winter koppeln wir viel auf Bauernflächen mit mobilen Elektrozäunen. Im Frühjahr ist die Lammzeit, wo wir mit den Schafen auch teilweise im Stall sind und sich alles rund um die Versorgung der Lämmer und Mutterschafe dreht", erzählt Käthe Kimmel. Sie ist ausgebildete Wanderschäferin und arbeitete im Betrieb ihres Vaters John, bis dieser in den Ruhestand ging.
"Es gibt Momente, besondere Momente, in denen alles passt. Dann ist es fast schon ein berauschendes Glücksgefühl, bei den Tieren zu stehen und eine Einheit mit ihnen und der Natur um mich herum zu bilden.“
Käthe Kimmel, Wanderschäferin
Alle Fotos © Holger Rüdel holger-ruedel.de
Für Tochter Käthe ging es nach dem Ruhestand des Vaters in der Wanderschäferei von Daniel Kley weiter. Er hat auch die väterliche Herde übernommen. Für Käthe war die Wanderschäferei nicht von Anfang an Berufsziel. Während der Schulzeit hatte sie andere Pläne, doch als der Abschluss näher rückte, wurde ihr bewusst: Nichts anderes kommt in Frage: "Für mich fühlt sich die Arbeit in vielen Dingen an wie eine Berufung. Sie ist zwar manchmal hart, aber für mich ist die Vorstellung, acht Stunden im Büro zu hocken und nichts von der Außenwelt mitzubekommen, noch viel schlimmer".
Ähnlich sieht es Birgit Voigtländer. Anfang der 90iger Jahre hatte sie auf der Suche nach einer Arbeit außerhalb der Großstadt-Hektik bei einer großen Schäferei begonnen, ohne monatliche Bezahlung. Es gab nur freie Kost und Logis. Der Lohn war der Eintritt in ein neues Leben. Mittlerweile ist Voigtländer selbstständig und hat mit vier Angestellten vergleichsweise eine große Schäferei in Schleswig-Holstein.
Ihre Herde umfasst 800 Mutterschafe und 120 Ziegen. Im eigenen Hofladen vermarktet sie ihr Fleisch und erzielt so einen großen Teil ihrer Einnnahmen. Dennoch plagen sie Nachwuchssorgen: „50 Schäfereien in Deutschland stellen im Jahr ihren Betrieb ein. Damit geht auch altes Wissen verloren – nicht nur bei der Hütetechnik, sondern auch bei der Ausbildung der Hunde und der artgerechten Behandlung der Schafe bei Krankheiten.“
Alle Fotos © Holger Rüdel holger-ruedel.de
"Schäferei ist Leben. Und: Eine Landschaft ohne Schafe ist nur halb so schön."
NOMADEN UNSERER ZEIT.
WANDERSCHÄFEREIEN IN SCHLESWIG-HOLSTEIN
31. März – 29. Juni 2023
Nord-Ostsee Sparkasse
Finanzmarkt Schleswig, Stadtweg 18
Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag:
9.00 - 12.00 / 14.00 - 16.30 Uhr
Mittwoch:
9.00 - 12.00 Uhr
Eintritt frei
Die in Umfang und Ausdruckskraft einzigartige Bildreportage knüpft an Holger Rüdels Projekt »Zeitenwende« über die letzten Fischer an der Schlei an. Auch diese wurde im Rahmen der nos.FOTOMENTA erstmalig in der Nord-Ostsee Sparkasse gezeigt. Und wie ihr Vorgänger rückt die neue Ausstellung die Schönheit und gleichzeitig die Härte eines vom Aussterben bedrohten, jahrhundertealten Handwerks in den Mittelpunkt.
Holger Rüdel aus Selk war von 1985 bis 2016 Direktor des Stadtmuseums in Schleswig und ist seitdem als freischaffender Fotograf, Kurator und Autor tätig.
www.holger-ruedel.de
Die Ausstellung ist ein Projekt der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein.
Zur Website der Ausstellung
Unterstützt aus Mitteln der Europäischen Union, vom Land Schleswig-Holstein sowie folgender Förderer: Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Nord-Ostsee Sparkasse, Stiftergemeinschaft der Förde Sparkasse,Sparkasse Mittelholstein, Sparkasse Südholstein, AktivRegion Eider- und Kanalregion Rendsburg, AktivRegion Mitte des Nordens, Kulturstiftung Kreis Rendsburg-Eckernförde, Kulturstiftung Kreis Schleswig-Flensburg, Familie Fielmann.
Alle Fotos © Holger Rüdel holger-ruedel.de